Bereits 2016 veröffentlichte die Europäische Kommission die erste Bewertung der Umwelthaftungsrichtlinie (UHRL)[1]. Nun führt die Kommission eine zweite Überprüfung der Richtlinie durch. In dieser Bewertung wird die Wirksamkeit, Effizienz, Relevanz, Kohärenz und der EU-Mehrwert der UHRL untersucht.
Diese öffentliche Konsultation soll der Erfassung der Meinung und praktischen Erfahrungen der Interessenträger dienen. Entsprechend hat der DAFV im August zu diesem Konsultationsprozess beigetragen. Das DAFV Positionspapier kann hier angerufen werden.
Die Umwelthaftungsrichtlinie (UHRL) wurde im Jahr 2004 verabschiedet. Sie gibt einen Rahmen für die Vermeidung bzw. Beseitigung von Umweltschäden durch Betreiber von Anlagen, die im Anhang III der Richtlinie und im Anhang I des Umweltschadensgesetzes aufgeführt sind, verschuldensunabhängig auf Grundlage des Verursacherprinzips vor.
Indem Wirtschaftsteilnehmer (z.B. Wasserkraftbetreiber) für die Vermeidung von Umweltschäden bzw. deren Behebung finanziell haftbar gemacht werden, soll erreicht werden, dass sie Vorgehensweisen entwickeln, bei denen das Risiko solcher Umweltschäden möglichst gering ist. Nur durch ein Abweichen von den Umweltzielen der Wasserrahmenrichtlinie über die hohe Hürde einer Ausnahmegenehmigung gemäß Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie oder § 31 (2) Wasserhaushaltsgesetz, kann die Umwelthaftung ausgesetzt werden.
Analog gilt die Richtlinie in Deutschland im Umweltschadensgesetz (USchadG).
Zu den wichtigsten Errungenschaften der Umwelthaftungsrichtlinie gehören die darin vorgesehenen Möglichkeiten natürlicher und juristischer Personen, ein Tätigwerden der Behörden zu verlangen und Rechtsbehelfe gegen die Untätigkeit der Behörden einzulegen. Zudem dient die Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt 2008/99/EG vorrangig der Durchsetzung der UHRL.
Heißt: Jeder betroffene Verein oder Verband kann umgehend eine qualifizierte Aufforderung, die glaubhaft, aber nicht im Detail erfolgen muss, zur Prüfung der Umweltschäden gemäß Umwelthaftungsrecht an die Genehmigungsbehörde senden. Die Kosten weitergehender Schadensermittlungen haben die Betreiber zu tragen. Die ermittelten Umweltschäden könnten dann als Grundlage für Schadenersatzforderungen der Fischerei dienen. Gleichzeitig können mit dieser „Aufforderung zum Tätigwerden“ auch Sanierungsmaßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit oder Mindestwasserführung eingefordert werden. Damit werden die Rechte der Fischerei maßgeblich gestärkt![2]
Die Bundesregierungen nahmen in der Vergangenheit die Mahnungen der Kommission zur Umwelthaftung selbst im Vertragsverletzungsverfahren nicht ernst. Es werden nur „Störfälle an die Kommission berichtet, obwohl auch alle im „Regelbetrieb“ auftretenden Umweltschäden durch berufliche Tätigkeiten, wie Wasserkraft, Einleitungen usw. nach Anhang III UHRL berichtspflichtig sind.
So beschloss der Bundesrat am 08.07.22 in Drucksache 315/22: „Vor dem Hintergrund der hohen Ausbauziele für erneuerbare Energien sollte auch geprüft werden, in welchem Umfang die Wasserkraft im Einklang mit den Belangen des Gewässerschutzes zukünftig verstärkt genutzt werden kann“.
Es haben weder Bundestag noch der Bundesrat bemerkt, dass Wasserkraft gemäß Wortlaut EuGH immer umweltschädlich ist und nur durch Ausnahmen unter Verzicht oder Abschwächung der Umweltziele der WRRL gerechtfertigt werden kann.
Rund 8000 Wasserkraftanlagen haben Deutschlands Flüsse bereits ökologisch weitestgehend zerstört. Davon sind 7500 kleiner als 1 MW und erzeugen 0,5 % anteilig von insgesamt 3 % Wasserkraftstrom.
Nach einem Erwägungsgrund der Umwelthaftungsrichtlinie stellt die Wasserkraft eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt dar.
Der DAFV hatte bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Wasserkraft nach der Umwelthaftungsrichtlinie eine gefährliche berufliche Tätigkeit darstellt und nur nach den Kriterien Artikel 4 Abs. 7 der Wasserrahmenrichtlinie genehmigungsfähig ist. Aus Sicht des DAFV und dem EuGH ist der Betrieb bestehender Anlagen in Deutschland, die dieser Prüfung nicht unterzogen worden sind, rechtswidrig. Auch an die viel beschworene Grundlastfähigkeit der Wasserkraft glaubt ob der abnehmenden Verfügbarkeit von Wasser kein informierter Bürger mehr. Viele Flüsse fallen gerade wieder trocken oder haben nur Abflüsse im Mindestwasserbereich.
Wenn man schon gemeinschaftliche natürliche Ressourcen für persönliche gewinnträchtige Unternehmungen nutzt, sollte man doch zumindest für die verursachten Schäden aufkommen – sagt einem zumindest der gesunde Menschenverstand und auch die EU mit der Umwelthaftungsrichtlinie.
In Deutschland bis heute: Fehlanzeige. Darum hat der DAFV bereits 2018 eine Beschwerde bei der EU eingereicht.[3]
Am 8. Dezember 2021 hat der DAFV dann erneut Beschwerde bei der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. Hierbei geht es um die aus Sicht des DAFV unzulässigen Genehmigungen von Wasserkraftprojekten, Konzessionsverlängerungen und die Erweiterungen von bestehenden Anlagen.[4]
Zusammen mit anderen Organisationen setzt sich der DAFV seit vielen Jahren gegen den Erhalt und den Ausbau insbesondere kleiner Wasserkraftanlagen ein.[5]
Sogar in Bosnien Herzegowina hat am 7. Juli 2022 der Gesetzgeber beschlossen, dass keine neuen Konzessionen für Wasserkraftwerke bis zu 10 MW mehr vergeben werden dürfen. In die gleiche Richtung geht der Beschluss des Umweltausschusses im Europaparlament vom Mai dieses Jahres.
Die Ziele der Emissionsminderung und der Klimaneutralität sollten nicht auf Kosten der biologischen Vielfalt gehen. Neben der chemischen Verschmutzung stellen "energiebedingte Belastungen und Wasserkraftanlagen" die größte Bedrohung für diese wichtigen Ökosysteme dar. Außerdem gelten die europäischen Flüsse als die am stärksten fragmentierten Süßwasserökosysteme der Welt.
Die Auswirkungen der Wasserkraft auf die biologische Vielfalt sind beträchtlich: Seit 1970 sind die wandernden Süßwasserfischarten um 93 Prozent zurückgegangen. Alle neuen Wasserkraftwerke sollten
von der Möglichkeit ausgeschlossen werden, Unterstützung zu erhalten oder auf die Ziele anzurechnen. Außerdem sollten bestehende Anlagen eine Reihe von Anforderungen erfüllen, um sich für eine Förderung zu qualifizieren: Sie müssten größer als 10 MW sein und die in den EU-Rechtsvorschriften festgelegten ökologischen Mindestanforderungen erfüllen. Im September werden in Brüssel und im Parlament diese Fragen diskutiert. Wir sind gespannt!
[1] https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:143:0056:0075:en:PDF
[2] https://www.dafv.de/item/93-das-hoechste-gericht-spricht-recht-fuer-die-fischerei
[3] https://www.dafv.de/referate/gewaesser-und-naturschutz/item/210-angler-reichen-eu-beschwerde-gegen-deutschland-ein
[4] https://www.dafv.de/images/dafv/Dokumente/2021_12_08_DAFV_Beschwerde_EU-Recht.pdf
[5] https://www.dafv.de/images/dafv/Dokumente/Gemeinsamer_Brief_Umweltverb%C3%A4nde_Kleinwasserkraft.pdf