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Fisch in der Krise – Aalarm!

Veröffentlicht am
23. Februar 2022
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ORGANISIERTE ANGLER ENGAGIEREN SICH SEIT VIELEN JAHREN FÜR DEN ERHALT DER AALBESTÄNDE DURCH FLÄCHENDECKENDEN BESATZ IN IHREN URSPRÜNGLICHEN AUSWUCHSHABITATEN. FOTO: FLORIAN BÜTTNER
ORGANISIERTE ANGLER ENGAGIEREN SICH SEIT VIELEN JAHREN FÜR DEN ERHALT DER AALBESTÄNDE DURCH FLÄCHENDECKENDEN BESATZ IN IHREN URSPRÜNGLICHEN AUSWUCHSHABITATEN. FOTO: FLORIAN BÜTTNER

Es ist sehr bedauerlich, dass der Spiegel in seinem Artikel: "Fisch in der Krise - Aalarm!" vom 21.02.2022 auf Spiegel-Online die Gelegenheit verpasst hat, differenzierter über das komplexe Thema Aal zu berichten. Eindimensionale Maßnahmen (z.B. wie die Einstellung der Fischerei) waren noch nie besonders erfolgreich, wenn es darum ging, komplexe Probleme zu lösen. Die Berücksichtigung anderer Expertenstimmen zu dem vielschichtigen Thema hätten dem Artikel sicherlich sehr gutgetan.

Der Deutsche Angelfischerverband e.V. hat bereits mehrfach darauf hingewiesen und aufgezeigt, welche potenziellen Risiken und Folgewirkungen ein komplettes Fangverbot des Aals nach sich ziehen könnte.

Beispiel: https://dafv.de/projekte/europaarbeit/item/504-ices-empfiehlt-pauschales-europaweites-fangverbot-fuer-den-europaeischen-aal

Widersprüche innerhalb des Artikels erschweren es dem Leser, den Durchblick zu behalten. So spricht die Autorin am Anfang des Artikels noch von einem drohenden Verschwinden des Aalbestandes in Europa, an späterer Stelle gesteht sie jedoch ein, dass es für diese These keine wissenschaftlichen Belege gäbe.

Keine aussterbende Art

Der Europäische Aal machte einst etwa die Hälfte der Fischbiomasse in europäischen Binnengewässern aus. Die Kanäle der Marschen Norddeutschlands waren zu dieser Zeit so reich an Jungaalen, dass die Bauern sie zum Düngen auf die Felder schaufelten oder sogar ihre Hühner damit fütterten. Trotz enormer Rückgänge in den letzten Jahrzehnten zeigen wissenschaftliche Modellrechnungen[1], dass jedes Jahr immer noch bzw. wieder weit über eine Milliarde Glasaale an den europäischen Küsten ankommen. Diese positiven Tendenzen und Entwicklungen sind die Folge der weitreichenden Schutzmaßnahmen durch die EU-Aalverordnung. Demnach ist es aus unserer Sicht absolut irreführend, von einem Aussterben dieser Art zu reden - davon ist der Europäische Aal weit entfernt. Jedoch müssen wir uns bewusstwerden, dass aufgrund der drastischen europaweiten Habitatverluste in Folge von Wasserkraftnutzung und sonstigen hydromorphologischen Veränderungen der historische Zustand des Aalbestandes nie wieder erreicht werden kann.

Illegaler Handel

Ein großes Problem ist der Export von lebenden Glasaalen nach Asien, der seit 2010 verboten ist und von Europol als „biggest, most lucrative trade of protected species worldwide“[2] bezeichnet wird. Ein Fangverbot würde das Problem des illegalen Handels sicherlich nicht lösen, sondern im Gegenteil sogar verschärfen. Der Glasaalhandel ist viel zu lukrativ, als dass sich dieser durch ein generelles Fangverbot stoppen ließe. Dazu kommt, dass mit dem Wegfall der legalen Fischerei und der nachgeschalteten, kontrollierten Wertschöpfungskette, die EU jegliche Kontrolle verlieren würde. Welchen Kriminellen kümmert ein Fangverbot, wenn er mit einem Kescher bewaffnet, mehrere tausend Euro in einer dunklen Nacht am Flussufer verdienen kann, in dem er die Babys eines Fisches fängt, den Dank des Fangverbots niemand mehr kennt oder geschweige denn mal zu Gesicht bekommen hat?

ICES Fangempfehlung wird fehlinterpretiert und Erfolge der Aalverordnung werden ignoriert

Der Artikel greift glücklicherweise auch andere menschengemachte potenzielle Gründe für den Rückgang des Aals auf, schlussfolgert dann aber, dass vor allem der Fang und Verzehr dem Aalbestand schade. Dieser Fehlschluss ist insofern nicht überraschend, da sich diese Formulierung mit der letzten Fangempfehlung des Internationale Rates für Meeresforschung (ICES) deckt und sich genau in diese Richtung verändert hat. Allerdings nicht, weil die Datengrundlage auf eine Verschlechterung der Bestandssituation hinweist, sondern aus bürokratischen Gründen, weil der ICES die Formulierung in seinen Protokollen für die Fangempfehlungen anpassen musste. Eine öffentliche Kommunikation über die Formulierungsänderung blieb jedoch aus und führte vielfach zu der Fehlinterpretation, dass sich die Bestandssituation ausschließlich negativ entwickelt.

Dabei ist das Gegenteil der Fall: Nach jahrzehntelangem Bestandseinbruch wurde dieser durch die erfolgreichen Maßnahmen der 2007 erlassenen EU-Aalverordnung, ab 2011 gestoppt. Entscheidend dazu beigetragen haben die europäischen Angler und Fischer. So ist beispielweise die Sterblichkeit bei der Glasaalfischerei für Besatzmaßnahmen und Aquakultur von 42%[3] im Jahr 2007 auf aktuell etwa 7%[4] gesunken. Darüber hinaus hat sich der europäische kommerzielle Aalsektor zusammengeschlossen und den Eel Stewardship Fund (ESF) gegründet, über den Maßnahmen zur Erholung des Bestands erfolgreich finanziert werden.

Seit Einführung der EU-Aalverordnung wurde die Aalfischerei europaweit bereits massiv eingeschränkt. In wenigen Ländern wurde sie zum Erreichen der Verordnungsziele bereits verboten, in einigen Ländern laut EU-Evaluierungs-Bericht[5] halbiert, oder im Falle von Schweden, sogar auf 10% reduziert. Ein komplettes Fangverbot mit den erheblichen wirtschaftlichen und soziokulturellen Folgen auf Grundlage der unbelegten Annahme, ein Fangverbot würde sich positiv auf den Aalbestand auswirken, ist aus Sicht des DAFV nicht verhältnismäßig.

Die Europäische Kommission hat kein Interesse daran, sich die Fortsetzung der erfolgreichen EU-Aalverordnung durch ein Fangverbot kaputt zu machen. Es sind aber die Fischereiminister der EU-Mitgliedsstaaten, die dabei das letzte Wort haben. Deshalb gilt es, diese davon zu überzeugen, sich mit der komplexen Thematik intensiv auseinander zu setzen.

Quellen:

 [1] Bornarel, V., Lambert, P., Briand, C., Antunes, C., Belpaire, C., Ciccotti, E., Diaz, E., Diserud, O., Doherty, D., Domingos, I., Evans, D., de Graaf, M., O’Leary, C., Pedersen, M., Poole, R., Walker, A., Wickström, H., Beaulaton, L., & Drouineau, H. (2018). Modelling the recruitment of European eel (Anguilla anguilla) throughout its European range. ICES Journal of Marine Science, 75, 541–552.

[2] https://www.europol.europa.eu/media-press/newsroom/news/eels-shipped-air-found-in-operation-lake-v

[3] Briand, C., Sauvaget, B., Girard, P., Fatin, D., & Beaulaton, L. (2012). Push net fishing seems to be responsible for injuries and post fishing mortality in glass eel in the Vilaine estuary (France) in 2007. Knowledge and Management of Aquatic Ecosystems, 404, 02.

[4] Simon, J., Charrier, F., Dekker, W., & Belhamiti, N. (2021). The commercial push net fisheries for glass eels in France and its handling mortality. Journal of Applied Ichthyology, 00, 1–14.

[5] https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/afe6ca55-5f58-11ea-b735-01aa75ed71a1

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